37. In gelb, neben seinem Namen. Darüber die 48, in grün, für die Sekunden im letzten Viertel. Dieser Holzhacker hatte ihn abgeräumt, als er zum Korb gezogen war. Die meisten Coaches wollen, dass du deinen Kopf leer machst, ganz leer, wenn du an die Freiwurflinie trittst. Er hielt es anders, er dachte nach. Und fragte sich, wieso er das überhaupt noch tun musste, jetzt.
Seinen Job hatte er gemacht. Von außen hätte vielleicht mehr fallen können, aber viel hätte das nicht geändert; die Ulmer waren zu oft mit 20, mit 25 vor. Wieso sich noch einen Zug zum Korb antun gegen ein Tier, das seinem Coach noch etwas zu beweisen hat und das mit dem Gefühl ins Bett gehen will, den besten Schützen der Liga abgeräumt zu haben?
38. Wie lange stand er jetzt schon auf dem Parkett? Waren es wieder über vierzig Minuten? Links zieht es in der Fußsohle; nervt, geht aber. Morgen wird das scheiße. Rechts in der Schulter, nervt schon nicht mehr, tut schon weh. Das wird er sich nach der Saison anschauen lassen müssen. Zacharias tat ihm leid. Er hat ihn im Training mit aufgebaut - aber helfen kann er ihm nur in der Halle, nicht im Kopf. Bis dahin wird er weiter diese Minuten abreißen müssen.
39. Die kleinen Guards der Ulmer waren kein großes Problem vorne. Eigentlich ist kaum einer in der Liga ein Problem. Zumindest jetzt noch. 30 ist noch lange kein Alter. Schau dir die Ulmer an: Arne zählt wahrscheinlich jeden Morgen seine Haare im Spiegel, und Cosimo läuft nur noch, wenn er wirklich muss. Nein, da ist noch mehr im Tank bei ihm. Zurück in die eigene Hälfte. Weiter.
Zwölf Jahre spielt er schon hier. Zwölf Jahre! Wenn er mit seinen Kindern sprechen will, dann auf ein Deutsch, das er sich aus dem Radio, im Training und an der Supermarktkasse zusammengeklaubt hat. Aber Spanisch können sie eben nicht. Wenn sie ihre Namen so aussprechen, dann so, wie es die alte deutsche Nachbarin tut. Irgendwann wird er der lange graue Opa sein, der seine Enkel gar nicht mehr verstehen wird. Aber noch nicht, jetzt noch nicht. Sein Job ist noch nicht erledigt.
Die Ulmer haben längst aufgehört zu spielen. Cosimo, Roy, Arne mit Eisbeuteln auf der Bank. Irgendwann fliegt den Ulmern ihr Back Court um die Ohren. Iso für Claps, dieses Hemd. In drei Jahren schießt der hier durch die Decke. Den Dreier aber setzt er ans Brett. Miese Technik; zu fahrig, zu hektisch. Ball Mbar. Guter Junge, frisst Meter um Meter und beschwert sich nicht. Beschissener Abend für ihn, wie so oft, wenn ihn einer der Hunde auf der 1 rundspielt.
39. Handoff. Kein großer Lärm mehr in der Halle, die teuren Sitze sind fast alle schon leer. Keiner draußen wird sich an dieses Spiel erinnern, wenn es einmal rum ist. Keiner hier drin, auf dem Parkett, will den Ball. Kon kann den Block stellen. Er muss ihn nicht sehen, um das zu wissen. Pick and Roll? Hi-Lo? Er weiß, dass es nie falsch sein kann, ihm den Ball zu geben. Aber Brandtner und der Holzhacker stehen in der Zone, beide frisch. Dass muss er Kon nicht antun.
Zehntausendfach geübt: aus dem Dribbling einen Schritt zurück, die Knie leicht gebeugt, die linke Hand führt den Ball, die Fingerspitzen der rechten spüren die Noppen, die Rillen. Sehnen und Muskeln spannen sich, werden lang, länger. Der kurze Moment der Schwerelosigkeit. Der Schuss. 42. Wieso er das jetzt noch tun musste? Weil er der beste Schütze der Liga ist; weil er muss.